25/03/2022 von Die Malerfüchse
Außen Baudenkmal - innen Wohnkomfort
Wie aus Magdeburger Militärbauten ein schickes Wohnquartier wurde.
Neues Leben blüht aus den Ruinen, heißt es bei Friedrich Schiller. Das trifft voll und ganz auf das Areal der ehemaligen Magdeburger Kaserne Ravensberg zu. Die heute unter Denkmalschutz stehenden Backsteinensembles, in denen einst Verwaltungsbüros und Dienstwohnungen für das Korps-Bekleidungsamt des IV. Preußischen Armee-Korps untergebracht waren, stammen aus dem 19. Jahrhundert.
Sie dienten auch als Werkstatt und Lagerhaus. Als das Gelände nicht mehr vom Militär genutzt wurde und die seit der DDR-Zeit bestehende Nutzung in den 2000er Jahren auslief, standen die teilweise im Zweiten Weltkrieg beschädigten Gebäude größtenteils leer. Dann erkannte der Berliner Projektentwickler Goldmann Group das Potenzial des in fußläufiger Entfernung zu Elbufer, Dom und Hauptbahnhof liegenden Geländes und entwickelte - unter Beachtung der Denkmalschutzauflagen - zwei attraktive, in sich abgeschlossene Wohngebiete.
Neue Streifenfassade aus handgefertigten original Meldorfer Flachverblendern
Das zweite namens „VirchowQuartier" wurde im Sommer 2020 fertiggestellt und beeindruckt durch seine klare Backstein- und Ziegelbauweise. Es besteht aus drei um einen ruhigen Innenhof gruppierten Gebäuden mit ausdrucksstarken, aus roten und gelben Klinkern zusammengesetzten Fassaden. Die Wohnhäuser wurden mit Balkonen, Terrassen und zusätzlichen Dachetagen aufgewertet. In jeden der beiden Altbauten wurde eine Etage originalidentisch eingeschoben, und der Westbau erhielt zusätzlich ein modernes Penthouse. Rasch konnten die 73 Wohneinheiten, zusammen 4.650 qm Wohnfläche auf bis zu fünf Geschossen, verkauft werden. Jetzt ist der architektonische Charme der von 1880 bis 1890 für die preußische Armee erbauten Häuser wieder erkennbar. Doch vom Äußeren sollte man sich nicht täuschen lassen. Wer dieses Magdeburger Baudenkmal betritt, entdeckt darin modernen Wohnkomfort: Eichenholzparkett, Markeneinbauküchen und schicke Bäder. Alle Wohnungen erhielten neue Holzfenster mit Isolierverglasung, Wärmeschutzverglasung rundum und Schallschutzverglasung zur Straße hin.
Denkmalschutzauflagen
Als mit dem Aufbauprojekt begonnen wurde, stand vom stark zerstörten Ostflügel des Ensembles nur noch das Erdgeschoss und ein Teilstück des Turms. Der Wiederaufbau gerade dieses Gebäudes war Chance und Herausforderung zugleich. Die Chance bestand darin, den künftigen Bewohnern mehr Vorteile bieten zu können als denen der beiden Bestandsgebäude. In den Ostflügel-Neubau wurde ein Personenaufzug integriert, der bis zum fünften Stock führt, das war bei den anderen wegen der Denkmalschutzauflagen nicht möglich. Der Lift wurde aber vor allem eingebaut, weil der Ostbau mehr Etagen hat, als die beiden anderen Baukörper und er sich in den Neubaugrundriss leichter integrieren ließ.
Wärmedämmung
Ein weiterer Vorteil war die Wärmedämmung der Außenwände, die dazu beiträgt, dass die Bewohner des Ostgebäudes etwas mehr Wohnfläche als die der Nachbarhäuser haben. Denn im denkmalgeschützten West- und dem Nordbau durfte die Dämmung nur von innen angebracht werden, und dafür wurde Platz geopfert. Die eigentliche Herausforderung aber bestand darin, den Neubau in der Architektursprache so an die historischen Häuser anzupassen, dass der Ensemblecharakter erhalten blieb. Der Neubauteil wurde jedoch nicht
an den Bestand angeglichen, sondern klar von den Altbauten abgegrenzt und als moderne Ergänzung kenntlich gemacht. Aber durch die Farbgebung und die Ziegelhaut des Neubaus wird der Bezug zu den historischen Fassaden hergestellt. So wirkt das historische Ensemble wieder geschlossen. Ein Jahr lang, vom Sommer 2019 bis zum Sommer 2020, waren zwölf Mitarbeitende des Magdeburger Familienunternehmens „Die Malerfüchse" konstant mit den Innen- und Außenarbeiten am wiederaufgebauten Ostflügel beschäftigt. Fachberater Roberto Kassner hatte dem Investor gerade diese Firma empfohlen, weil er ihre Leistungsstärke kennt und sie Erfahrung beim Verlegen von Meldorfer Flachverblendern hat. Für das 2006 gegründete Familienunternehmen, einen Ausbildungsbetrieb mit 46 Mitarbeitenden und eines der größeren Malerbetriebe der Region, war dies ein ganz besonderes Projekt und ein schöner Auftrag.
Schleswig-Holsteiner Manufaktur
„Der Denkmalschutz hat uns die Farben vorgegeben", erzählt der Geschäftsführer der „Malerfüchse", Malermeister Robert Schütze. Sie wurden mithilfe alter Unterlagen und Farbproben rekonstruiert. „Wir haben extra einen alten Klinker als Muster genommen und ihn nach Meldorf geschickt," erläutert Schütze. In der Schleswig-Holsteiner Manufaktur Original Meldorfer hatte er bereits an einem Verarbeitungskurs teilgenommen. Diese Manufaktur ist auf die Herstellung von originalgetreuen Rekonstruktionen authentischer Oberflächen spezialisiert. Die von Hand angefertigten Verblender bestehen aus natürlichen Sanden, gemahlenen Steinen und mineralischen Füllstoffen, sind nur 4 bis 6 mm dick, aber genauso widerstandsfähig wie Vollsteine. Für die Flachverblender des „Virchow Quartiers" war das sogenannte „Reichsformat" maßgebend. Diese Normgröße war zunächst im 1866 gegründeten Norddeutschen Bund für Staatsbauten vorgeschrieben und dann 1872 im gesamten, 1871 gegründeten Deutschen Reich, für öffentliche Gebäude verbindlich eingeführt worden - daher der Name Reichsformat.
Alle Flachverblender des Ostbaus wurden individuell angefertigt
Nachdem Schützes „Malerfüchse" die Fassade mit 160 mm Dalmatiner Fassadendämmplatte unter Verwendung von WVS-Mörtel von Alligator wärmegedämmt hatten, verarbeiteten sie die Meldorfer Flachverblender im Sonderton gelb und rot mit Meldorfer Klebemörtel in Farbreihen nach den zeichnerischen Vorgaben des Architektenbüros ABA-Planungsgesellschaft (Leipzig). Linien und Bänder folgen in präziser Abfolge aufeinander und sorgen für eine spannende Fassadenbelebung. Die Flachverblender werden in Etappen, beginnend am oberen Teil der Fassade, angebracht. Vom Gewicht her sind die Verblender leichter und schmäler als Backsteine und zudem preiswerter. Robert Schütze lobt: „Das Verblenden ging problemlos und klappte deutlich schneller als mit Backsteinen".
Er findet, dass die neue Oberfläche ein bisschen brillanter als die historische wirkt, „Der Unterschied fällt kaum auf", versichert Alligator-Fachberater Roberto Kassner. „Wenn man weiß, wie sehr das Gelände heruntergewirtschaftet war, bevor der Bau losging, kann man das Gute, das daraus geworden ist, um so mehr schätzen." In angenehmem Kontrast zu den roten und gelben „Original Meldorfern" sind Fensterrahmen und Balkone in Mausgrau gehalten, einige Nuancen heller als das Original. Putz und Klinkeroptik ließen sich perfekt kombinieren. Auch die Farben für den Innenausbau hat der Denkmalschutz vorgegeben oder genehmigt. Die Wände im Hausinneren wurden mit Alligator Spritzspachtel grob geglättet, der Zwischenanstrich erfolgte mit Alligator Grundweiß. Zum Abschluss wurden sie mit Phönix Matt LEF in einem gebrochenen Altweiß gestrichen.
„Wir sind langjähriger Partner von Alligator, weil wir von der Qualität der Produkte überzeugt sind und mit dem Ansprechpartner der Firma partnerschaftlich zusammenarbeiten", erklärt Robert Schütze. Die Original-Ziegel der historischen Fassaden des West- und Nordflügels wurden neu verfugt und gereinigt. Jetzt wirkt das Ensemble nobel und harmonisch. Die historische Annäherung ist so gut gelungen, dass es schon eines besonders scharfen Blicks bedarf, um die Nahtstellen zwischen der Architektur der Vergangenheit und der Gegenwart zu erkennen.
Petra Neumann-Prystaj